Was versteht man unter Lycanthropie?
Im allgemeinen ist mit dem Begriff der Lycanthropie der Glaube verbunden, Menschen könnten sich in bestimmte Raubtiere verwandeln.
Lykanthrop bezeichnet nicht nur den Werwolf (wer von lateinisch vir; Mann), sondern entsprechend den lokalen Traditionen den Werbären (altnordisch berserk; Bärenhäuter), oder im außereuropäischen Bereich Wertiger, Werleoparden usw. Die Verwandlung gilt als reversibel.
Die Interpretationen des Phänomens reichen von krassem Aberglauben über rein psychologische Deutungen bis zu parapsychologisch fundierten Interpretationen. Hierher gehören Traumbilder und Visionen mit ASW-Elementen, die den Erlebnisträger sich selbst in Tiergestalt sehen lassen, aber auch das mentalsuggestive Beeinflussen von Tieren (magische Faszination):
Der Wille eines Menschen besetzt gleichsam das Tier. Solche Deutungen schließen wahrscheinlich schon PK-Elemente ein. Eindeutig psychokinetisch wäre das ebenfalls behauptete Phänomen, bestimmten Menschen gelänge es, Materialisationen von Raubtieren agieren zu lassen.
Eine Form von ASW läge vor, wenn Menschen mentalsuggestiv andere durch Tierphantome attackieren könnten (Alp).
Ein psychokinetisches Phänomen eigener Art bildete die allerdings von nur sehr wenigen Forschern für möglich gehaltene tatsächliche Verwandlung (in einer abgeschwächten Form: die Seelenexkursion in Tiergestalt).
In den Umkreis der Lykanthropie gehören auch die zahlreichen, der klassischen Psychiatrie bekannten Beispiele vermeintlicher Wölfe, Katzen, Hunde usw.
Österreich (1921) teilt den Fall eines japanischen Mädchens mit, das, von einem Fuchs besessen, die Verhaltensweisen eines Fuchses zeigte.
Der Glaube an eine mögliche Verwandlung in Vögel (Raben, Schwanenjungfrauen) wird nicht den Lykanthropie-Vorstellungen zugerechnet.
Davon nochmals abzusetzen ist die Vorstellung vom Seelenvogel (die Seele eines Verstorbenen lebt als Vogel weiter). Z. B. das Herrgottsvögelchen (ein hessischer Volksglaube) oder die Tauben als die Seelentiere von Aschenbrödels Mutter.
Das Mittelalter nahm das Problem der Tierverwandlung sehr ernst: So untersuchte z.B. Augustinus die Frage, ob die Verwandlung eines Mannes in einen Esel, die der röm. Schriftsteller Apulejus (um 125 n. Chr.) beschreibt, überhaupt möglich sein könnte.
Im 15. und 16. Jahrhundert wurde die Lykanthropie monographisch bearbeitet. Man betrachtete sie als eine Form der Teufelsbesessenheit:
Nach dem 'Malleus maleficarum' ist der Werwolf kein wirkliches Tier, auch kein verwandelter Mensch, sondern ein Trugbild des Teufels.
Thomas von Aquin sah in den Werwölfen dämonenerzeugte Scheinwesen. Eine tatsächliche Verwandlung hielt er für unvereinbar mit den göttlichen Naturgesetzen.
Die Religionsethnologie sieht in der Lykanthropie eine in psychopathologische Bereiche dringende Zerfallserscheinung der alten Wolfsmythologie.
Der Parapsychologie bleibt die Aufgabe zu untersuchen, welche paranormalen Elemente sich in ihr manifestieren.